Briefmarkenfreunde Offenburg-Oberkirch e.V.

Aktuelle Informationen

 
SÜDWEST AKTUELL  jetzt online zur Verfügung
 
  Die Verbandsnachrichten des Landesverbandes Südwestdeutscher Briefmarkensammlervereine e.V.  stehen ab sofort online zur Verfügung.  Auf der Homepage des Landesverbandes www.briefmarken-suedwest.de   können jetzt alle Mitglieder die Verbandszeitung lesen. Es wird damit versucht einmal die hohen Portokosten zu verringern und gleichzeitig auch die Informationen noch aktueller zur Verfügung zu stellen. 

  Selbstverständlich erhalten die Mitglieder wie bisher die Zeitschrift auch in gedruckter Form an den Tauschtreffs des Vereins.

   Machen Sie von diesen neuen Möglichkeit regen Gebrauch.
 
   Ein kleiner Hinweis in eigener Sache: Wir erhalten immer wieder Anrufe und Mail´s bezüglich vererbter Briefmarken und Sammlungen.
 In den meisten Fällen haben die "Beschenkten" keine oder wenig Ahnung von dem Nachlass. Wir bieten Ihnen gerne Hilfe. Kommen Sie daher bitte mit Ihrem Nachlass zu einem unserer Tauschtage im Bürgertreff vorbei, dann können wir Ihnen den vermeintlichen Wert einschätzen und Ihnen ev. Hilfe bei der Veräußerung geben .
 
 
 
 

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Vereinsgeschichte


Der Verein:
               Briefmarken                Mitglied im
               Freunde                      LV-Südwest
               Offenburg                   BDPh
 
Der Verein wurde am 24. Januar 1980 vom damaligen Vorsitzenden Walter Ruder gegründet.
Nachdem es bereits früher Briefmarkensammlervereine in Offenburg gab, größere Aktivitäten in der letzten Zeit aber nicht mehr zu erkennen waren, trafen sich am 24.Januar 1980 elf Briefmarkensammler, die einer sofortigen neuen Vereinsgründung und den Anschluss an den BDPh (Bund Deutscher Philatelisten e.V.) und damit auch dem LV Südwest (Landesverband Südwestdeutscher Briefmarkensammler Vereine) zustimmten.
Seither gibt es in Offenburg den Verein
 
BFO - Briefmarkenfreunde Offenburg

Als bereits am 19.Juli die Jugendgruppe mit dem Gruppenleiter, Mathias Bauer, dem Verein angeschlossen werden konnte, war der erste Vereinshöhepunkt die Werbeausstellung vom 28. März bis 5. April 1981. Danach folgte am 1. Mai 1981 die Busfahrt zur NAPOSTA Stuttgart. Als weitere Attraktion ist der Jugendwettbewerb "Jugend und Briefmarken" vom 4. April 1982 zu nennen.
Das erklärte Ziel unseres Vereins besteht darin, in der Öffentlichkeit für die Philatelie zu werben, was auch in der Vereinssatzung verankert ist.
 
Seit Dezember 1982 gab es in Oberkirch die
 
BFO - Sammlergruppe Oberkirch.
 
 
Auch in Oberkirch gab es in früheren Jahren Briefmarkensammler, allerdings nur als eine lose Zusammenkunft von Gleichgesinnten.
Obmann der neuen Gruppe wurde Hans-Jürgen Ziegler aus Oberkirch.
 
Damit konnten für unsere Vereinsmitglieder die Tauschmöglichkeiten erheblich erweitern werden.
Die Philatelie gewann immer mehr an Bedeutung und ist längst kein Außenseiter mehr. Gleichzeitig wurde damit unser Verein für auswärtige Sammler attraktiver.

Im Jahre 1988 übernahm Hans-Jürgen Ziegler aus Oberkirch die Amtsgeschäfte von Walter Ruder als Vorsitzender. Zweiter Vorsitzender wurde Anton Pytka aus Zunsweier.
Der Verein ist unter der Nummer VR 466 im Vereinsregister Offenburg eingetragen.
 
Der Verein wurde in Briefmarkenfreunde Offenburg-Oberkirch e.V. umbenannt.
 
Die Tauschtermine waren am 2. Donnerstag jeden Monats von 18.00 - 20.00 Uhr für die Jugend und ab 20 Uhr für die Senioren im Gasthaus Engel in Offenburg. Am 1. Sonntag jeden Monats von 9.30 - 12.00 Uhr im Gasthof Pflug in Oberkirch. Briefmarken-Großtauschtage im Frühjahr und Herbst in der Oberrheinhalle in Offenburg im Rahmen der beiden Messen.
 
Nachdem es in Offenburg immer wieder Probleme mit den Tauschlokalen gab (Gasthaus Engel, Gasthaus Mundinger, Christliches Jugenddorf, VHS Villa Bauer, Bürgerhäusle am Markt), wurden nur noch in Oberkirch Tauschtreffs (Feuerwehrhaus) am 1. Sonntagmorgen im Monat, angeboten.
 
Nach Umbau des Feuerwehrhauses im Jahre 2009 konnte man mit Hilfe der Stadt Oberkirch ab 1. November 2009 im Oberkircher "Bürgertreff" eine neue Heimstatt finden.
Diese Räumlichkeiten liegen zentral in Oberkirchs Stadtmitte, sind ebenerdig erreichbar (daher auch für Behinderte und Senioren gut geeignet). Auf den angrenzenden Parkdeck sind ausreichend Parkmöglichkeiten vorhanden (Sonntags gebührenfrei).
 

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Die Vorstandschaft


Den 1. Vorsitz hat seit dem Jahre 1988 Hans-Jürgen Ziegler aus Oberkirch

Der Mitgliedsbeitrag ist gesplittet. Er beträgt für aktive Mitglieder, mit Anschluss an den BDPh (Bund Deutscher Philatelisten), dadurch auch Mitglied im LV-Südwest (Landesverband Südwestdeutscher Briefmarkensammler Vereine), nur 26 € im Jahr. Darin enthalten ist neben der vom BDPh monatlich erscheinenden Zeitschrift Philatelie, die Verbandszeitschrift LV-aktuell (vierteljährlich), sowie auch eine Rechtsschutzversicherung.
Für passive Mitglieder oder auch als Zweitmitgliedschaft, ohne Anschluss an den Bund, beträgt er derzeit 15 € jährlich.
Bei den monatlichen Tauschtreffs stehen die Briefmarken-Kataloge der ganzen Welt für die Sammler unentgleltlich zur Verfügung.
 

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Historische Beiträge

 
Anlässlich unserer Phliatelistischen Sonderschau "Die Ortenau - unsere Heimat" im Jahre 1985, hat uns Senator E.h.Prof Dr. Franz Burda für unser Sonderheft die Geschichte von den ersten in Offenburg gedruckten Briefmarken geschildert.
 

Offenburg – Heimat der ersten Nachkriegsmarken

Von Senator E.h. Prof. Dr. Franz Burda

Briefmarken sind die schönsten Geschichtsbücher. Und Briefmarken sammeln heißt, Vergangenes und Vergessenes noch einmal zu erleben. Das wurde mir so recht wieder bewusst, als mich der Vorstand der Briefmarkenfreunde Offenburg bat, für die Festschrift des Landesverbandstags Südwest 1985 die Geschichte zu schreiben, wie ich Briefmarkendrucker wurde.

Es war ein Abenteuer, wie es nicht im Buche steht.

Angefangen hat alles eines schönen Tages Mitte 1946. Ich bekam einen Anruf vom Oberkommando der französischen Besatzungszone in Baden-Baden. General Koenig, der Oberbefehlshaber, wollte mich sprechen.

Ich kannte den General, aber in jener Zeit wusste man wirklich nicht, ob ein solcher Anruf etwas Gutes oder Schlechtes bedeutete. Mit einem etwas mulmigen Gefühl im Magen machte ich mich also auf den Weg.

Alle Furcht war umsonst. Als ich zum General kam, stand ein weiterer Mann im Raum. Er wurde mir als Direktor des Postwesens vorgestellt. Und ohne große Einleitung fragte mich Koenig: „Sind sie in der Lage, schnellstens Briefmarken für die französische Besatzungszone zu drucken?“

Genauso spontan meine Antwort: „Ja, wenn es mir gelingt, die dazu nötige Perforationsmaschine zu beschaffen.“ Hätte ich da gewusst, worauf ich mich eingelassen hatte …

Bereits am nächsten Tag machte ich mich auf den Weg. Ich hatte gehört, wenn überhaupt, dann könnte ich bei der Firma Göbel in Darmstadt das Gesuchte finden. Darmstadt, amerikanische Zone – das war zur damaligen Zeit fast eine Weltreise. Aber meine endete schon in Renchen, kaum 15 Kilometer von daheim weg gab mein „Adler Junior“ seinen Geist auf. Zum Glück war eine Reparatur möglich, und – fast ein Wunder – die notwendigen Ersatzteile kurzfristig aufzutreiben.

Ein neuer Anlauf also am nächsten Tag. Und diesmal klappte es. Meine Frau war dabei. Wir kamen ohne größere Probleme in Darmstadt an.

Der erste Weg führte mich zur Maschinenfabrik Goebel, oder besser: zu dem, was Bomben und Feuer von ihr Übrig gelassen hatten. „Oh je“, sagte ich zu meiner Frau, „das war eine kurze Karriere als Briefmarkendrucker“. Goebel war meine einzige Hoffnung. Während die Briefmarken für die französische Besatzungszone noch in der Pariser Staatsdruckerei gedruckt wurden, hatten Engländer und Franzosen die Marken ihrer Zonen längst wieder in Deutschland herstellen lassen. Und auch dort wurden Perforationsmaschinen gebraucht …

Und dann stehe ich im Chaos einer großen, ausgebrannten Halle und glaube, meinen Augen nicht trauen zu können: mitten unter dem ganzen Gerümpel steht doch tatsächlich noch eine Perforationsmaschine. Sie ist furchtbar ramponiert, und vor allem fehlten die Perforationskämme. Der Mann von Goebel, der mich begleitete, meinte nur: „Hoffnungslos. Wir haben niemand, der noch reparieren kann.“

Aufgeben? So kurz vor dem Ziel? Das kam für mich nicht in Frage. Ich ging raus zum Auto. Dort hatte ich eine paar Flaschen Wein, eine Flasche Schwarzwälder Kirschwasser und ein Stück Schwarzwälder Speck. „Wenn ihr die Maschine wieder hinkriegt, dann sollt ihr noch mehr davon haben“, versprach ich. Das war die richtige Währung in diesen hungrigen Zeiten. Drei Monate später stand die Maschine produktionsbereit in meiner Druckerei im Zwischenbau des Hotels „Union“. Und wenige Wochen später würde ich General Koenig in Baden-Baden die ersten Marken vorlegen – ich glaubte, es waren die 6-Pfennig-Marken für die Saar.

Doch so weit waren wir noch lange nicht. Die Perforationsmaschine war da, aber woher gummiertes Papier bekommen? Auch hier hatte ich Glück. Mit dem PKW holten wir die ersten Bogen bei den Gebrüdern Seidel in Pfungstadt ab, einer Spezialfabrik für gummierte Papiere. Bezahlt wurde wieder in der Butter-, Eier- und Speck-Währung.

Sie funktionierte auch bei der Beschaffung von Farbe (von den Siegwerken) und Filmen. Die beim Druck notwendigen Lösungsmittel hatte ich in Tanks in Oberharmersbach vergraben. Dort wurden sie in Nacht- und Nebel-Aktionen nach Offenburg geholt.



Die Auswahl der Motive war kein großes Problem. Schon vor dem Krieg hatte ich die SÜRAG gegründet, eine Rundfunkzeitschrift, die Vorgängerin der Bild + Funk. Sie durfte zwar 1947 noch nicht wieder erscheinen, aber wir hatten doch ein recht ordentliches Fotoarchiv. Hilfe bekam ich auch von dem Schweizer Verleger Bruno Grimm. Mit ihm arbeitete ich zusammen, seit ich 1945 den Auftrag bekommen hatte, für die französische Zone alle Schulbücher neu zu drucken. Grimm lieferte die unverdächtigen Druckunterlagen von der Erstklässlerfibel bis zum Chemie-Lehrbuch für die Oberprima. Von den deutschen Schulbüchern aus dem Dritten Reich gab es ja keines ohne Hakenkreuz oder Naziparolen …

Die meisten Motive, die Grimm besorgt hat, oder die aus meinem Archiv stammten, setzte Professor V.K. Jonynas in eine briefmarkengerechte Grafik um.

Professor Jonynas, ein hochbegabter Grafiker, war Lette. Wie er nach Offenburg kam, auch das ist eine Geschichte, wie sie sich nur zu jener Zeit abspielen konnte.

An der Universität in Riga, wo auch Jonynas arbeitete, lehrte vor dem Krieg auch ein gewisser Germanistik-Professor Raymond Schmittlein. Während des Krieges war Schmittlein französischer Militärattaché in Moskau. Da verloren sich die beiden Professoren aus den Augen.

Nach dem Krieg wurde der mit einer Berlinerin verheiratete General-Direktor der „Education publique“ in der französischen Besatzungszone und für Kultur- und Unterrichtsfragen zuständig. Das Zusammentreffen mit ihm war für mich ein Glücksfall: er gab mir den Auftrag zum Druck der Schulbücher. Damit konnte mein Betrieb sofort wieder produzieren. Und meine Mitarbeiter hatten Arbeit und Brot.

Diesem General Schmittlein lief nur durch Zufall sein ehemaliger Professoren-Kollege Jonynas über den Weg. Er kam wie gerufen: Schmittlein sorgte sofort dafür, dass er als zuständiger Grafiker für die Briefmarken in die Buchdruckerei Franz Burda in Offenburg geschickt wurde.

Drei Jahre wurden dann in Offenburg bei Burda Briefmarken gedruckt, die letzt noch für die neugegründete Bundesrepublik Deutschland, als die Druckmaschinen in meinem Betrieb mit dem „Ufer“, der Vorgängerin von BUNTE, der Bild + Funk und der Zeitschrift DAS HAUS eigentlich längst ausgelastet waren.

Romane könnte man schreiben über jene Zeit. Kurz vor der Währungsreform druckten wir „M“ für „Mark“ und „Pf“ für „Pfennig“ auf die Marken. Dann gab´s die Marken mit „DM“ und DPF“. Und dann wurden Marken gedruckt, auf denen nur die Wertziffern standen. Wie die Währung genau heißen würde, wusste man noch nicht.

Briefmarken sind nicht nur schön und oft wertvoll. Sie lassen Vergangenes und Vergessenes wieder erleben. Allen Besuchern der philatelistischen Sonderschau „Die Ortenau – unsere Heimat“ wünsche ich auch ein Stück von diesem schönen Erlebnis, gerade in unserer schnelllebigen Zeit.

Senator E.h. Prof. Dr. Franz Burda

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Badische Heimat, Freiburg im Breisgau, Ausgabe 4/2007, Buchverlag G. Braun, Karlsruhe, 2007, S. 458 bis 462

Elmar Vogt

V. K. Jonynas und die Briefmarken oder: Kunst macht das Leben menschlicher

Dieser Beitrag über den vielseitigen Graphiker, Künstler, Professor und Briefmarkengestalter V. K. Jonynas erfolgt als Ergänzung des Aufsatzes ”Johann Peter Hebel in der Philatelie - Ich bin bekanntlich in Basel daheim", abgedruckt in: Badische Heimat, Band 3/2004, Seite 340 bis 349.

Zu diesem Beitrag betrieb ich keine Archivforschung, sondern stützte mich lediglich auf die Literatur. Dennoch laufe ich nicht Gefahr, Allzubekanntes für die Leserinnen und Leser zu veröffentlichen.

Kunst ist, so hat es in der Geschichte der Kunstphilosophie unter anderem Georg Wilhelm Friedrich Hegel (1770 bis 1831) betont, eine geistige Angelegenheit. Kunstwerke sind nicht nur Gegenstände der ahrnehmung und der sinnlichen Auseinandersetzung, sondern auch und in erster Linie des Verstehens.

Es nimmt so nicht wunder, dass seit ihren Anfängen sich auch die Philosophie immer wieder mit Fragen der Kunst befasst hat.

Mein ganzer Name ist VYTAUTAS KAZYS JONYNAS

Kunstsammlern und Kunstliebhabern ist der Name des am 16. März 1907 in Udrija (Südost-Litauen) geborenen späteren Graphikers wohl nicht unbekannt. Er war nicht nur ein abenteuerhungriger Kosmopolit, sondern auch ein vielseitiges schöpferisches Genie. Nach der Ausbildung an der Staatlichen Kunstschule in Kaunas erwarb er im Jahre 1927 erste Erfahrungen, die er ab 1931 in Paris ausbaute, wo er bis 1935 am Conservatoire National des Arts et Metiers studierte und an der Ecole Boulle seine Studien beendete. Kaum hatte er eine erste viel beachtete Ausstellung seiner Werke in der Pariser Galerie Zak hinter sich, folgte er einem Ruf nach Kaunas, wurde dort Lehrer für Graphik und Holzplastik an der Staatlichen Kunsthochschule und später deren Direktor. Im Jahre 1936 erwarb er den Titel eines Konservators und wurde Leiter des Staatlichen Dienstes zum Schutze von Kunstdenkmäiern.

Paris ließ ihn aber nicht los: Zur Weltausstellung 1937 stellte er seine Werke dort aus. Sie wurden mit zwei Goldmedaillen ausgezeichnet. Er selbst wurde zum Ritter der Ehrenlegion ernannt. Für seine Illustrationen zu den ”Jahreszeiten" des litauischen Dichters Kristijonas Donelaitis3 (1714 bis 1780) wurde ihm der Litauische Staatspreis 1940 verliehen. Vier Jahre später erlebte Riga eine umfangreiche Ausstellung seiner Werke. Die Kriegswirren brachten den Litauer nach Freiburg im Breisgau, wo er 1946 die ”Akademie der Schönen Künste" gründete und auch deren Leiter wurde.

... ZUM SYMBOL POLITIKFREIER KUNST

Im zerbombten Nachkriegsdeutschland wurden seine Werke geradezu zum Symbol politikfreier Kunst, eines Neuanfangs und vielfach in deutschen Städten gezeigt, so zum Beispiel in Tübingen (1947), Baden-Baden, Frankfurt am Main und Konstanz (1948). Auch in Rom und Paris gab es im Jahre 1949 Ausstellungen seiner Werke. Längst hatten namhafte Museen und Kunsthallen begonnen, Kunstwerke von Jonynas zu erwerben, so die Hamburger Kunsthalle und das Goethe-Museum in Weimar. Eine Künstlerbiographie von Aleksis Rannit aus dem Jahre 1947 mit einem Gesamtüberblick seines bisherigen Schaffens machte ihn noch bekannter als er es zu dieser Zeit bereits war. Kunstfreunden sagen seine Illustrationen zu Goethes ”Die Leiden des jungen Werther" oder zu ”Hamlet" viel: die spielerische Freiheit der Feder, die Eleganz moderner Entwürfe und Umsetzungen klassischer Themen kommt an. So blieb es kaum aus, dass man sich im französisch besetzten Teil Deutschlands an V. K. Jonynas erinnerte, als es 1946 an die Planung und Realisierung eigener Zonen-Briefmarken für Baden, Rheinland-Pfalz und Württemberg ging, mit denen die Allgemeine Ausgabe der drei besetzten und letztgenannten Zonen abgelöst werden sollte. Die ersten Briefmarkenausgaben für das Saarland im Jahre 1947 wurden ebenfalls nach Entwürfen von V. K. Jonynas gestaltet und ausgegeben.

... zu den schönsten Postwertzeichen Europa zählen

Der Graphiker Jonynas ist mit seinen entworfenen und auch verausgabten Postwertzeichen einer breiten Öffentlichkeit bekannt geworden. Als V. K. Jonynas sich mit dem für ihn neuen Gebiet der Briefmarkenkunst beschäftigt, ist er bereits ein anerkannter Künstler, der weite Gebiete Europas bereist hat. Man hat mit Recht einmal gesagt, Jonynas gehöre zu den Künstlern, die eine Welt nur mit den Augen des Zeichners sehen und erleben. Als großer Bewunderer der französischen Meister der Moderne vermag er unter deren Einfluss und zum Teil auch deren persönliche Einführung seine Kunst zu erweitern und vertiefen.  Alles das, was über die allgemeinen Arbeiten von Jonynas gesagt wurde, muss auch über die von ihm entworfenen Briefmarken angeführt werden. Hier sind ihm die verschiedensten Themen gestellt worden: Porträts, Bauwerke, und Landschaftsbilder stellen an ihn mannigfaltige Anforderungen. Zu den insgesamt 136 zur Ausführung gekommenen Briefmarken hat Jonynas 35 verschiedene Entwürfe geliefert. Diese sind nach den Angaben des von Aleksis Rannit bearbeiteten Werkskatalogs im Original in der Höhe von 13,2 cm gehalten. Es scheint für alle Markenausgaben von Jonynas besonders charakteristisch, dass hier ein Künstler nicht nur den Entwurf liefert, sondern dass er darüber hinaus auch die technische Ausführung bis zum letzten Ausdruck leitet und persönlich überwacht. Dies ist vor allem in der Notzeit der ersten deutschen Nachkriegsmarken eine wichtige, keineswegs dankbare und nicht immer leichte Aufgabe. ”Besonders aufschlussreich linde ich die Tatsache, dass es die Franzosen waren, die die erste Hebel-Briefmarke herausbrachten. Der Veranlasser oder wenigstens der Zensor, der die Einwilligung zum Druck geben musste, kann eigentlich nur ein Elsässer gewesen sein, der offensichtlich die integrative Kraft Hebels für die Gegenden am Oberrhein kannte und mit dieser Ehrung des größten alemannischen Dichters wenigstens der französisch besetzten Zone Respekt zu zollen und ihr ein Stück Selbstgefühl zurückzugeben versuchte. Damit hat er geholfen Vorurteile und Vorbehalte abzubauen und eine neue Völkerverständigung über die Grenze einzuleiten. Vor diesem Hintergrund verkündet diese Marke eine politische Aussage, neben der ihre postalische Funktion zur Nebensächlichkeit wird.

In der ”Sammler-Lupe", Jahrgang 1954, Heft 17, Seite 281, schreibt Sepp Schüller (Aachen):

”Jonynas hat sich im Laufe weniger Jahre zu einem echten Briefmarkenkünstier entwickelt, der unter den bekannten und bedeutenden Briefmarkenschöpfern der Nachkriegszeit und weit darüber hinaus genannt zu werden verdient. In einer Zeit, als vor allem in Deutschland nach dem Kriege das gesamte Kulturleben wieder neu aufgebaut werden musste, vermittelte er wertvolle Anregungen und nahm mit ihm die Briefmarke einen verheißungsvollen Aufstieg. Man muss bedauern, dass diese Entwicklung nicht fortgeführt wurde". Es ist bemerkenswert, dass dieser begabte Künstler ab 1949 nicht mehr als Entwerfer weiterer Briefmarken in Erscheinung tritt. Vermutlich kam es nicht mehr dazu, weil Jonynas wohl spätestens 1949 Deutschland verließ - und das mit unbekanntem Ziel. Es gibt Hinweise, dass er im Jahre 1949 in Rom und Paris noch einmal mit Ausstellungen an die Öffentlichkeit trat und in die USA auswanderte, wo er im Alter von 90 Jahren verstarb. Aber noch im Jahre 1989 hatte Jonynas erleben dürfen, dass in der litauischen Stadt Druskininkai eine Galerie mit seinem Namen eröffnet wurde, in der auch heute noch seine Entwürfe, Holzplastiken - und eben auch zahlreiche Briefmarkenentwürfe gezeigt werden und somit an seine Person und an sein vielseitiges Werk erinnern.

Biefmarken als kleine Kunstwerke

Kunstwerke sind Zeichen. Es handelt sich allerdings um Zeichen, die in charakteristischer Weise mit Erfahrungsprozessen verbunden sind. Kunstwerke funktionieren als Zeichen nicht wie Wörter auf einer Gebrauchsanweisung oder Bilder in der Tageszeitung. Das heißt, dass Verstehen bei Kunstwerken etwas anderes bedeuten muss als bei anderen Zeichen. Somit hat auch V. K. Jonynas deutlich gemacht, dass Briefmarken kleine Kunstwerke sind, die neben ihrer postalischen Funktion auch eine Botschaft in Form eines Zeichens vermitteln wollen, eben: Postwertzeichen.

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Vom alemannischen Grenzgau "Mortenau" zum heutigen Ortenaukreis

Historischer Beitrag von Kreisarchivar Dr.Dieter Kauß, Offenburg/Oberkirch (1985)

Die Burg Ortenberg verhalf seit dem 15. und 16. Jahrhundert der politischen Restlandschaft der alten alemannischen Grafschaft "Mortenau" zu ihrem Namen "Ortenau". Der Name "Ortenau" wiederum steht für uns heute sowohl für den frühmittelalterlichen alemannischen Grenzgau als auch für den heutigen Ortenaukreis. trotz alledem sind alle drei Sachbegriffe nicht identisch.


Alemannen und Römer
Um das Jahr 260 n.Chr. überrennen die Alemannen zwar erstmals den römischen Limes, aber die Römer vermochten sich noch bis etwa 400 am Rhein zu halten. Ihre Städte wurden zu Festungen umgebaut und die Kinzigtalstraße, der Übergang in den römischen Donauraum, in der Mortenau von Straßburg und Offenburg aus gesichert. Die Römer hatten seit 50 v.Chr. das Gebiet der Mortenau als militärisches Vorland zu den Übergängen in den Donauraum benutzt. Infolgedessen waren ihre Straßen vorrangig: die Nord-Südverbindung entlang der Vorberge und die militärische West-Ostverbindung durch das Kinzigtal. Wegen dieses militärischen Charakters ist auch wenig konzentrierte römische Siedlung zu erwarten. Einziger großer Ausstrahlungspunkt römischen Lebens war Straßburg, das sich im Offenburger Kastell und im römischen Siedlungsraum um Lahr in der Mortenau zwei bedeutende Ableger geschaffen hatte.


Die Mortenau als Grenzgau
Seit der Mitte des vierten Jahrhunderts wurde der alemannische Druck auf das Gebiet in der heutigen Ortenau und in das Elsaß hinein immer stärker. Phasen der alemannischen Eroberung und des Rückschlags durch die Römer wechselten. Kurz nach 400 werden von Rom aus Rheinkastelle geräumt, um die Truppen im Osten einsetzten zu können. 406 brechen die Alemannen über den Rhein ins Elsaß. seit 454 hatten sie auch das Gebiet südlich des Rheins in der heutigen Schweiz erobert. Dort aber wurden sie von den Burgundern aufgehalten. Sie wandten sich daher nach Nordwesten und trafen dort auf die Franken, von denen sie im Jahre 496 geschlagen wurden. Das ehemalige linksrheinisch-alemannische Gebiet im Elsaß wurde Teil des Merowingerreiches. Rechts des Rheins konnte man sich vorerst noch in lockerer Abhängigkeit halten. Die alemannische Grenze wurde hier jedoch nach Süden verschoben. Die Norgrenze der Mortenau bildete nun die Stammesgrenze; die Mortenau selbst wurde zum nordwestlichen alemannischen Grenzgau gegen die Franken. Heute noch ist die Grenze Mundartgrenze. Entlang dieser finden sich gehäuft Ortsnamen mit der Endung -igheim, einer Mischung von -ingen-und heim-Endungen, die man den Alemannen und den Franken zuordnen möchte.


Namen und Grenzen der Mortenau
Der Namen der "Mortenau", wie die Landschaft und spätere Grafschaft damals hieß, kann sich von einem Siedlungsnamen "Morodunum", von einem ähnlich lautenden Fluß- oder Personennamen ableiten. Siedlung und Fluß sind heute in ihrer Namensgebung nicht mehr als solche bekannt. Man vermutet sie etwa in der Mitte der "Mortenau". Die Grenzen diese frühmittelalterlichen Gebietes verliefen im Westen am Rhein und im Osten auf dem Schwarzwaldkamm. Die Südgrenze wurde durch die Flußniederungen der Bleich, Elz und Glotter, die Norgrenze durch die Läufe der Murg und Oos gebildet. Bei der schon mehrfach erwähnten Bindung dieses Gebietes an den Westen verwundert die Identität dieses Gebildes mit dem späteren rechtsrheinischen Teil der Diözese Straßburg nicht allzu sehr. So sind uns auch die Grenzen der Mortenau erstmals in einer Urkunde Kaiser Friedrichs I. Barbarossa von 1155 bekannt, in der er die Grenzen des Alemannenbistums Konstanz, dem östlich an das Bistum Straßburg grenzenden Kirchenbezirk, beschreibt und bestätigt.


Die Grafschaft Mortenau
Als Grenzgau stand die Mortenau stark unter westlich fränkischem Besiedlungs- und Machtdruck. Merowingischer und fräkischer Adel schuf sich hier im Banne des Herzogstums Zwischenstationen auf dem Weg nach Inneralemannien. Seit dem Jahre 496 begann die Christianisierung der fränkischen Oberschicht. Um 600 etwa übernehmen die Alemannen das Christentum. Eremiten und frühe Glaubensboten gründen erste Klöster. Trotzdem schien sich das Herzogtum Alemannien im sechsten und siebten Jahrhundert ein starkes Maß von Unabhängigkeit gewahrt zu haben. Es war von einem Amtsherzogtum zu einem erblichen Stammesherzogtum geworden.
Dies wiederstrebte den erstarkenden karolinischen Hausmeiern. Pippin der Mittlere und Karl Martell zogen im ersten Drittel des 8. Jahrhiúnderts gegen die Alemannen zu Felde, die dann im Jahre 746 im "Gerichtstag von Cannstadt" sowohl politisch wie auch militärisch besiegt wurden.
Die neuen fränkischen Machthaber sahen vor allem militärische und administrative Aufgaben, um dieses Gebiet enger an das Reich zu binden.
Die dafür geeignetere, weil kleinräumiger angelegte Grafschaftseinteilung wurde daher auch im alemannischen Gebiet eingeführt. Für die Mortenau kennen wir urkundlich zwar erst 888 einen namentlich genannten Grafen. Bis zum Jahre 1007 sind uns dann jedoch weitere Mortenau-Grafen mit ihrem Namen und ihrer Herkunft bekannt. In der Zwischenzeit hatte das mittelalterliche Lehenswesen - eine eigenartige Symbiose von Lehensherrn und Lehehensmann, eine gegenseitige Abhängigkeit, die eine Teilhabe des Lehensmannes an die politische Macht seines Lehensherren bewirken konnte - das ursprüngliche Grafenamt in ein erbliches Lehen umgewandelt; seit 1007 ist die Mortenau-Grafschaft in der Hand der Zähringer-Familie bis zu deren Aussterben im Jahre 1218. Ihre Erben im Grafenamt waren die Staufer, die aber in der Person Friedrichs II. mehr in Italien engagiert waren, so daß die Mortenau seit dem 13. Jahrhundert nicht mehr als eine landschaftlich geeinte Grafschaft gelten und weiter bestehen konnte.


Die Reichslandvogtei Ortenau
Rudolf von Habsburg suchte diesem Zustand entgegen zu steuern; er schuf im Jahre 1274 die Landvogtei Mortenau mit dem ihm noch verbliebenen Rest an Reichsrechten und Reichsgebieten: den Gerichtsbezirken Achern, Ortenberg, Griesheim und Appenweier sowie den Reichsstädten Offenburg, Gegenbach, Zell und dem Harmersbachtal.
Mittelpunkt und Verwaltungszentrum dieser Reichslandvogtei war die Burg Ortenberg. Unter dem Einfluß diese Burgnamens wurde im Laufe des 15./16. Jahrhunderts der Name "Mortenau" in "Ortenau" umgeändert.


Weitere Territorien in der Ortenau
Die frühmittelalterlichen Klöster konnten neben dem Reichsbesitz durch viele Schenkungen und Käufe eigene kleine Klostergebiete ausbilden. Diese waren meist entweder an den Talausgängen des Schwarzwaldes oder im günstigen Siedlungsgbiet der Niederterrasse gegründet worden und vermochten so ihre Umwelt nahezu einzubeziehen (Ettenheimmünster und Gengenbach in der Vorbergzone; Honau, Schwarzach, Arnulfsau und Schuttern im Niederterrassengebiet). Im Schwarzwaldanteil der Ortenau vermochten sich das vor 1196 gegründete Kloster Allerheiligen noch ein kleines Territorium zu bilden. Auch der mächtige Adel (die Herren von Hanau-Lichtenberg, von Gerodseck, von Fürstenberg und von Baden) sowie der Bischof von Straßburg schufen sich eigene Machtbereiche. Schließlich verbanden sich die bedeutenderen Rittergeschlechter 1474 zur Reichsritterschaft Ortenau, um sich gegen den Druck der neuentstandenen Territorien zu schützen.
Die Wappen der Reichslandvogtei und der Reichsritterschaft Ortenau finden daher mit Recht als die Elemente des modernen Ortenaukreiswappens wieder.


Schwinden der Eigenständigkeit
Die napoleonischen Kriege um 1800 verändern unsere politische Landschaft radikal. Der mittelalterlich gewachsene "Flickenteppich" verschiedenster Herrschaftsgebiete in Südwestdeutschland wurde zugunsten der beiden neuen Staaten Baden und Württemberg sowie zur Entschädigung Frankreichs beseitigt. Das Kurfürstentum Baden erhielt durch den Reichsdeputationshauptschluß von 1803 in der Ortenau die Grafschaft Hanau-Lichtenberg, die Herrschaft Lahr, den bischöflich-straßburgischen Besitz, die klösterlichen Gebiete sowie die Reichsstädte und das Reichstal Harmersbach. Im Frieden von Preßburg 1805 kamn die ehemalige Reichlandvogtei Ortenau und das Kloster Schuttern sowie durch die Mediatisierung 1806 die Gebiete der Fürstenberger und die Ritterschaft hinzu. Außer der Grafschaft Geroldseck, die erst 1819 an Baden kam, war die Ortenau 1806 im ganzen Umfang der ehemaligen Grafschaftsgrenzen an das Haus Baden gefallen. Die Ortenau als eigenständiges politisches Gebilde existierte damit nicht mehr.


Die Ortenau in Baden
Das Gebiet der mittelalterlichen Grafschaft Ortenau umfaßte nach der badischen Verfassung von 1819 Teile des ehemaligen Dreisamkreises mit Sitz in Freiburg, den gesamten Kinzigkreis mit Sitz in Offenburg, sowie teile des Murgkreises mit Sitz in Rastatt. Mit diesen Gebietsunterteilungen und deren Benennungen nach Flüssen wollte man jede Erinnerung an frühere Herrschaften und Bezirke tilgen. Nach der Verfassungsänderung von 1863/64 wurden die Kreise nach ihren Verwaltungssitzen benannt; für die alte Ortenau bedeutete dies erneut Anteile an den Kreisen Freiburg, Offenburg und Baden-Baden. Das demokratische Prinzip hatte sich mittlerweile durchgesetzt: Kreisversammlung, Kreisausschuss und der staatliche Kreishauptmann bestimmten über die fakultativ gemeinnützigen und die obligatorische-staatlichen Aufgaben. Im Jahre 1936 wurde schließlich Baden in 27 Land- und sechs Stadtkreise eingeteilt. Für das Gebiet der Ortenau waren dies die Landkreise Baden-Baden, Bühl, Kehl, Offenburg, Wolfach und Lahr.


Der heutige Ortenaukreis
Die Geburtsstunde des heutigen Ortenaukreises schlug am 1. Januar 1973. Nach einer in Baden-Württemberg leidenschaftlich geführten Diskussion hat der Landtag im Jahre 1971 mit dem Kreisreformgesetz das verbindliche Wort gesprochen. Die Zahl der Landkreise in Baden-Württemberg wurde von 63 auf 35 reduziert. Die Zahl der neun Stadtkreise blieb unverändert. Der Ortenaukreis entstand aus dem südlichen Teil des Landkreises Bühl, dem Großteil des Landkreises Kehl und Wolfach sowie aus dem Landkreis Offenburg und Lahr.
Obwohl wieder zu einem Großkreis geworden, ist das Gebiet des heutigen Ortenaukreises nicht identisch mit der alten Grafschaft Mortenau. Während im vergleich nördliche und südliche Gebiete fehlen, hat der Anteil im Schwarwald hinzugewonnen. Es blieben jedoch beiden Charakter des Durchgangs von Nord nach Süd und des Übergangs von West nach Ost. In der heutigen Zeit eines geeinten Europa fordert zudem die Vergangenheit der fränkisch-alemannischen Geschichte unseres Gebietes und dessen Anknüpfung an Stadt und Bistum Straßburg mehr denn je häufige und intensive Kontakte mit dem Nachbarland Frankreich als Selbstverständlichkeit.


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Die Geschichte der Stadt Offenburg

 

Über die Entwicklung der Stadt Offenburg ist weder eine Gründungsurkunde noch ein Marktprivileg überliefert. In einer Urkunde über das Kloster Alpirsbach im Jahre 1101 taucht der Name Offenburg das erste Mal auf. Die Sage, ein englischer Prinz namens Offo habe um 600 das Kloster Schuttern gegründet und an der Kinzig eine Burg erbaut, ist historisch nicht begründbar.

Ein Überblick über die politische und territoriale Entwicklung der Ortenau zwingt zu dem Schluss, dass die Herzöge von Zähringen Offenburg gegründet haben. Als Inhaber der Grafschaft Ortenau und als Gerichtsvogt der Abtei Gengenbach, deren Grundbesitz weit in die Rheinebene hinausragte, baute Herzog Bertold II. am strategisch wichtigen Ausgang des Kinzigtales um 1080 eine Burg und schuf durch die Gründung eines Marktes unter dem Schutz dieser Burg die Voraussetzung für die Entstehung einer Stadt.

Als der zähringische Staat 1218 mit dem Tod des kinderlosen Bertold V. zerbrach, kam es um Offenburg zwischen dem staufischen Kaiser Friedrich II. und dem Straßburgischen Bischof zu einem langjährigen Streit. Erst 1236 verzichtete der Bischof auf seine Ansprüche mit Ausnahme des Patronats über die Pfarrei. Um 1240 erhob Friedrich II Offenburg zur Reichsstadt und sein Schultheiß Wölflin von Hagenau versah sie mit dem Mauerschutz. Neben dem Stadtwappen trat der Reichsadler, das Symbol der Reichsunmittelbarkeit.

 

Das umfangreiche Königsgut, das die staufischen Herrscher der Ortenau erworben hatten, wurde im Interregnum zum größten Teil eine Beute der Fürsten. Unsere Heimat zerfiel in ein loses Bündnis von Zwergstaaten. Was Rudolf von Habsburg dem Reich zurückerobern konnte, war die sogenannte Reichslandvogtei Ortenau mit den Gerichten Ortenberg, Appenweier, Griesheim und Achern, sowie die Städte Gengenbach, Offenburg und Zell a.H. Auf diese Gebiete beschränkte sich fortan der staatsrechtliche Bergriff Ortenau.

Das Reichsgut war selten im unmittelbaren Besitz des Königs. Meist war es an Fürsten verpfändet. In dem Ringen um die Erhaltung der Reichsfreiheit erkämpfte sich Offenburg die eigene städtische Gerichtsbarkeit.

 

Der Zwölferrat, bestehend aus Vertretern der handeltreibenden Geschlechter, war sein eigener Gerichtsherr. Kein Offenburger Bürger konnte mehr vor ein fürstliches Gericht geladen werden.

Neben dem alten Rat der Zwölfer trat bald der junge Rat der Zünfte, dessen Aufgabengebiet die Verwaltung war. In ihm war die Masse der Handwerker, die Schmiede, Bäcker, Metzger, Schneider, Schuhmacher, Gerber, die Rebleute und Fischer vertreten. Sie brachten ein demokratisches Element in die Verfassung.

 

Im späten Mittelalter herrschte in Offenburg ein starkes wirtschaftliches und kulturelles Streben. Der Handel mit den Dörfern in der Umgebung blühte, auf der Kinzig führten die Flößer ihre Hölzer vorbei, in Nord-Süd-Richtung herrschte ein starker Durchgangsverkehr. Die Franziskaner ließen sich in Offenburg nieder, die Bürger der Stadt begründeten das St. Andreas-Hospital; der Neubau der Pfarrkirche Hl. Kreuz entstand. Das Stadtbild erhielt das Aussehen, das Merian in seinem bekannten Stich von 1643 festhielt.

 

In der Zeit der Glaubenskämpfe folgte Offenburg dem Beispiel zahlreicher süddeutscher Städte und trat 1525 zur neuen protestantischen Lehre über, kehrte jedoch kurz danach zum alten Glauben zurück. Nach dem Ratsbeschluss von 1551 erhielt nur noch der das Bürgerrecht, der sich zur „wahren römischen Religion“ bekannte. Eine der schrecklichsten Folgen der Religionskämpfe war der Hexenwahn, der ein trauriges Kapitel in der Geschichte Offenburgs darstellt. Zwischen 1597 und 1628 werden 60 Hexenverbrennungen urkundlich gemeldet.

 

Im 30 jährigen Krieg war Offenburg, Stützpunkt am Eingang des Kinzigtales, hart umkämpft. Es stand drei Jahre unter schwedischer Besetzung, entging nur knapp einer Eroberung durch Bernhard von Weimar und wurde bis zum Ende des Krieges von Oberst Hans Reinhard von Schauenburg erfolgreich verteidigt. Bei ihm diente auch Johann Jacob Christoph von Grimmelshausen, der hiermit am Beginn seines Aufenthaltes in Offenburg und der Ortenau stand. Die endgültige Zerstörung erfolgte im Pfälzischen Erbfolgekrieg. Am 9. September 1689 wurde die Stadt „totaliter ruiniert und in Aschen gelegt“.

 

Der Wiederaufbau, der an die Stelle des zerstörten gotischen Offenburg eine Stadt mit barockem Gepräge setzte, wurde immer wieder durch neue Kriegswirren gestört. Soziale Unruhen kamen auf. Doch die Bürgerschaft einigte sich immer wieder im gemeinsamen Abwehrkampf gegen die Machtbestrebungen der Ortenauer Landvögte. Seit Mitte des 16. Jahrhunderts befand sich das Reichsgut im Besitz Österreichs, das nun ernstlich versuchte, die drei Reichsstädte zu vorderösterreichischen Landstädten herabzudrücken. Zur Erhaltung der Reichsunmittelbarkeit schloss Offenburg 1775 mit Gengenbach und Zell a.H. einen Bund. Die drei Vereinsstädte blieben zusammen, bis sie im Jahre 1802 von der Markgrafschaft Baden in Besitz genommen wurden.

 

Die Offenburger zeigten sich zuerst als treue badische Untertanen, doch bald zeigte sich, dass viele Bürger der verlorenen Reichsunmittelbarkeit nachtrauerten und liberale Anschauungen huldigten. Der 1845 gewählte Bürgermeister Gustav Reé begeisterte sich für den Gedanken der Demokratie. Dies und die geographische Lage in der Mitte des badischen Landes machte Offenburg zum Ausgangspunkt der badischen Revolution. Am 12. September 1847, 19. März 1848 und am 13. Mai 1849 war es der Schauplatz großer politischer Versammlungen, auf denen programmatische Beschlüsse gefasst wurden. Nach dem Scheitern des Maiaufstandes ging über Offenburg eine große Verfolgungswelle hinweg. Darauf folgte das finstere Jahrzehnt der Reaktion.

 

Nach 1871 nahm Offenburg einen ungeahnten Aufschwung. Dieser spiegelte sich in der Bevölkerungszunahme wider. 1803 zählte das Städtchen kam 2400 Einwohner. Nun wuchs es über die lückenlos erhaltene Stadtmauer hinaus. Vor dieser entstanden neue Wohnviertel.

Der Bau der badischen Staatseisenbahn und der Schwarzwaldbahn machten Offenburg zum Verkehrsknotenpunkt. In der zweiten Hälfte des 19.Jahrhunderts erhielt es eine Gasbeleuchtung. Wasserleitung, Kanalisation und Elektrizitätswerk folgten. Langsam aber stetig wuchs die Bevölkerung. Zwischen 1875 und 1900 machte sie einen gewaltigen Sprung von 6600 auf 13.660. Die Ursache für diese plötzliche Zunahme liegt in der Industrialisierung.

Die erste Fabrik, der Spinn- und Weberei, gesellten sich bald Unternehmungen aus Leder-, Tabak- und metallverarbeitender Industrie. Glas und Emailplakatfabriken machten Offenburg zu einem Sitz der deutschen Reklameindustrie.

Beim Ausbruch des Zweiten Weltkrieges halt die Stadt schon 19.000  Einwohner. Nach dem Zweiten Weltkrieg, in dem Offenburg vor umfangreichen Zerstörungen bewahrt blieb, d.h. seit 1950, hat die Entwicklung in wirtschaftlicher, räumlicher und soziologischer Hinsicht einen stürmischen Verlauf genommen. Bedeutende Industriezweige ließen sich in Offenburg nieder. Durch sie wurden auch Gewerbe und Handel gefördert. Offenburg ist der Kern eines größeren Wirtschaftsgebietes geworden.

 

Immer mehr Arbeitnehmer aus den umliegenden Landgemeinden verdienen ihr Geld in der Stadt. Diese wiederum brauchte Gelände für Industrieansiedlungen. Im Zuge einer Verwaltungs- und Gemeindereform erfolgte zwischen 1970 und 1975 die Eingliederung von 11 Umlandgemeinden, dadurch vergrößerte sich Offenburg auf eine Fläche von 7800 ha mit heute 50.300 Einwohnern.


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Die Geschichte der Stadt Oberkirch

  

Ausgangspunkt für die Entstehung Oberkirchs war der Nußbacher Hof, den Kaiser Heinrich II.  im Jahre 1007 mit allem Zubehör dem Bistum Bamberg verlieh. Spätestens im 11. Jahrhundert entstand von Nußbach aus auf Reichsboden jene Siedlung, die bald nach der dortigen Nußbacher Tochterkirche „Oberkirch“ benannt wurde, da diese Tochterkirche oberhalb der Mutterkirche zu Nußbach erbaut worden war.

Die Zähringer förderten in ihrer Funktion als Vögte des Nußbacher Hofes und als Grafen der Ortenau die Entwicklung Oberkirchs nachhaltig. Bereits im Jahre 1225 tauchte Oberkirch in einer Urkunde mit der Bezeichnung „civitas“ auf, die Oberkirch als Bürgergemeinde bzw. Stadt ausweist. Dieselbe Urkunde unterstreicht die in der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts gewachsene Bedeutung Oberkirchs auch insofern, als aus ihr hervorgeht, dass Oberkirch 1225 eine selbständige Seelsorge und den Rang einer Pfarrei erhalten hatte.

Über die Zähringererben (die Markgrafen von Baden und die Grafen von Fürstenberg) kam Oberkirch im Jahre 1303 durch Kauf in den Besitz der Bischöfe von Straßburg. Bischof Johann I. von Straßburg sorgte dafür, dass Oberkirch im Jahre 1326 durch eine Gunstzuweisung König Friedrichs des Schönen von Habsburg offiziell mit den Stadtrechten bedacht wurde. Außerdem lies dieser Bischof Oberkirch mit einer massiven Stadtmauer umgeben, die unter seinem Nachfolger Teil einer Befestigungsanlage rings um die Stadt werden sollte.

Wohl um das Jahr 1400 wurde Oberkirch zum „Hauptstädtchen“ des 1316 geschaffenen bischöflich-straßburgischen Herrschaftsgebietes, das sich über Sasbach-, Acher- und Renchtal erstreckte. Oberkirch beherbergte infolgedessen bis zum Jahre 1803 die obersten bischöflichen Verwaltungsbeamten des genannten Herrschaftsgebietes und wurde zum Mittelpunkt für die Bewohner des Sasbach-, Acher- und Renchtales. Insbesondere profitierte Oberkirch hiervon auf wirtschaftlichem Gebiet; ein vielbeachteter Markt entwickelte sich, das örtliche Gewerbe, das sich erst seit dem 17.Jahrhundert den starren regeln der Zünfte unterwarf, florierte und verschaffte der Mehrzahl der Bürgerschaft einen soliden Wohlstand.

Die Hervorhebung Oberkirchs unter den Gemeinden des bischöflich-straßburgischen Herrschaftsgebietes brachte dieser Stadt aber nicht nur Vorteile, sondern auch immer wieder spürbare Nachteile. Einmal opponierten die Adeligen von Schauenburg, deren Burg seit dem 11.Jahrhundert majestätisch über der Stadt thront, im Bunde mit anderen Vertretern des Ortenauer Niederadels mehrfach gegen die Bürgerschaft und die herrschaftlichen Beamten, nicht zuletzt deshalb, weil der Adel seinen Bewegungsspielraum und seine reichsunmittelbare Stellung in Oberkirch gefährdet sah. Zum andern waren es auch Ereignisse der großen Politik, die sich stärker als anderswo zum Nachteil der Stadt auswirkten.

Zerstörungen und Leid verursachte ihr beispielsweise der Bauernkrieg des Jahres 1525, denn nicht weniger als 8000 aufrührerische Bauern trieben für kurze Zeit ihr Unwesen in der Stadt. Besonders qualvolle Jahre mussten die Bürger Oberkirchs während des Dreißigjährigen Krieges (1618-1648) durchstehen. Nicht nur kaiserliche Truppen, sondern auch Franzosen und Schweden eroberten mehrere Male die Stadt, vernichteten Hab und Gut sowie das Leben vieler Bürger. Am Ende des Krieges hatte sich die Bevölkerungszahl der Stadt, die vor dem Ausbruch des Krieges etwa 750 betrug, um mehr als die Hälfte verringert. Die Greueltaten des Dreißigjährigen Krieges fanden Eingang in das literarische Werk des H.J.Chr. von Grimmelshausen, der in den sechziger Jahren des 17. Jahrhunderts in Oberkirch-Gaisbach sein weltbekanntes Hauptwerk „Der Abentheurliche Simpicissimus“ schrieb. Die größte Katastrophe in der Geschichte Oberkirchs ereignete sich zweifellos in den Kriegen, die der französische König Ludwig XIV. ausgelöst hatte. Zu Beginn des Pfälzischen Erbfolgekrieges drangen die Soldaten diese Königs auch in die Ortenau ein, eroberten Oberkirch und legten am 10.September 1689 sämtliche Häuser dieser Stadt in Schutt und Asche.

Die Wirren der Zeit sowie die vielfach aufgetretene Misswirtschaft der Bischöfe von Straßburg führten überdies dazu, dass die Bürger Oberkirchs während der fünfhundertjährigen Herrschaft des Bistums Straßburg über die Stadt öfters ein nichtbischöfliches Stadtregiment auferlegt bekamen, und zwar auf der Grundlage des Pfandversatzes. So war Oberkirch über das ganze 15. Jahrhundert hinweg an verschiedene Herrschaften verpfändet. Von 1592 bis 1664 waren es die Herzöge von Württemberg, die als Pfandherren die Geschicke der Stadt lenkten. Unter ihrer Herrschaft waren die Bürger Oberkirchs jedoch weniger Objekt der Ausbeutung als vielmehr Untertanen, denen man Vorteile mannigfaltiger Art zuteil werden ließ. Herzog Friedrich I. von Württemberg und sein Sohn Johann Friedrich förderten ganz besonders den Weinbau rund um die Stadt Oberkirch und unterstützten bzw. initiierten die Entwicklung der Papier- und Eisenindustrie unmittelbar vor den Toren der Stadt. Erwähnenswert ist in diesem Zusammenhang auch, dass die protestantischen Herzöge von Württemberg, die fast ausschließlich katholische Bevölkerung Oberkirchs nicht zur Annahme des evangelischen Bekenntnisses zwangen, sondern dem Kloster Allerheiligen, das die Pfarrherren und die Lehrer in Oberkirch stellte, im Einvernehmen mit dem Bistum Straßburg gewöhnlich freie Hand bei der Betreuung der Gläubigen ließen.

Aus der Reihe der Pfandherren ragte schließlich noch Markgraf Ludwig Wilhelm von Baden, der berühmte „Türkenlouis“, heraus, der von 1689 bis 1697 Einfluss auf Verwaltung und Politik der Stadt nahm. Er gehörte zu den maßgeblichen Befürwortern bezüglich der Einrichtung eines Kapuzinerklosters in Oberkirch, dessen Mönche von 1697 bis 1825 segensreich in dieser Stadt wirkten.

Die Vorgänge der französischen Revolution, die auch in Oberkirch Unruhen zur Folge hatte, und der Aufstieg Napoleons führten zum Ende der Herrschaftszeit der Bischöfe von Straßburg über Oberkirch im Jahre 1803. Neue Stadtherren wurden die Großherzöge von Baden, die die Entwicklung Oberkirchs bis 1918 prägten. Auch die Großherzöge gewährten Oberkirch eine Sonderstellung, und zwar dadurch, dass sie in dieser Stadt ein Bezirksamt errichteten, das für sämtliche Ortschaften des Renchtals zuständig war. In der großherzoglich-badischen Zeit nahm die Stadt einen großen Aufschwung. Eine rege Bautätigkeit setzte ein, um Wohnraum für die enorm anwachsende Bevölkerung zu schaffen (1918 wohnten mehr als 4000 Menschen in der Stadt); außergewöhnlich stark entfaltete sich überdies Handel, Gewerbe und Industrie; aus einigen kleinen Handwerksbetrieben wurden Großbetriebe, die heute noch einen überregionalen Ruf genießen (u.a. Koehler, Linck, Ruch); die Landwirtschaft, der sich die Bevölkerung Oberkirchs immer sehr verpflichtet sah, spezialisierte sich allmählich auf Sonderkulturen (z.B: Weinbau); ferner erreichte der Fremdenverkehr seine erste Blütenzeit, und auf politischem Gebiet verankerte sich auf breiter Basis demokratisches Denken.

Letzteres war entscheidend dafür, dass Oberkirch während der badischen Revolution von 1848/49 unter der Führung der Rechtsanwälte Werner und Frech „zu den aufgewühltesten Orten des Großherzogtums Baden“ zählte. Mehr als 30 Bürger mussten sich nach dem Scheitern der Revolution vor Gericht verantworten und offiziell auf ihre Forderung nach der Schaffung einer deutschen Republik verzichten. Das demokratische Bewusstsein lebte trotz dieser Enttäuschung weiter und zeigte sich nach der Reichsgründung im Jahre 1871 im Eintreten vieler für die Belange demokratischer Parteien. Die Mehrheit der Bürgerschaft sympathisierte zunächst mit der Nationalliberalen Partei, seit der Jahrhundertwende schließlich mit dem Zentrum, der Partei des politischen Katholizismus, die ihre starke Position bis zur Ausschaltung der Parteien im Dritten Reich behaupten konnte. Eine stetige Aufwärtsentwicklung verzeichnete auch die sozialdemokratische Partei in Oberkirch, die vornehmlich in der Arbeiterschaft Oberkirch Fuß fassen konnte. Beispielsweise erreichte sie bei den Wahlen des Jahres 1912 vierzehn Prozent der Stimmen und verbuchte die als nennenswerten Erfolg.

Einen weitern Bestandteil der politischen Gesinnung der Bürgerschaft Oberkirchs bildeten nach 1871 die ausgeprägte Verehrung für „Kaiser und Reich“, die ihren Höhepunkt im Ersten Weltkrieg erreichte. Im Bewusstsein, für eine gerechte Sache zu kämpfen, nahmen die Bürger Oberkirchs während des Krieges „an der Heimatfront“ große Entbehrungen und schweres Leid auf sich. Letzteres wird besonders deutlich, wenn man erwähnt, dass in den vier Kriegsjahren mehr als 200 Angehörige der Pfarrei Oberkirch auf den Schlachtfeldern Europas fielen.

In den Revolutionstagen des November 1918 entstanden in Oberkirch sogenannte Arbeiter- und Soldatenräte, die zunächst für Ruhe und Ordnung sorgten und sich nachhaltig für die Bildung einer deutschen Republik einsetzten.

Haß und Enttäuschung empfanden die Bürger der Stadt nach bekanntwerden der Bestimmungen des Versailler Friedensvertrages, dessen Erfüllung das Nationalgefühl kränkte und von jedem Bewohner Oberkirchs große Opfer verlangte. Trotz dieses Sachverhaltes und trotz Inflation und Wirtschaftskrise erlahmte jedoch nicht das Bemühen, Aufbauarbeit zu leisten und anfallende Schwierigkeiten so gut wie möglich zu bewältigen. Zu den speziellen Problemen Oberkirchs in den Jahren der „Weimarer Republik“ gehörten die Wohnungsnot, die Arbeitslosigkeit, die Integrierung der zahlreichen Flüchtlinge aus Elsaß-Lothringen, die Finanzmisere der Gemeinde, die zeitweiligen Absatz- und Produktschwierigkeiten der Gewerbebetriebe, die Geldentwertung des Jahre 1923, die Geldknappheit in den Kassen der einzelnen Familien und anderes mehr.

Die Sorgen, die das Leben der Bürger Oberkirchs in den Zwanziger Jahren aufbürdete, wurden vielfach deshalb erträglicher, weil man es immer wieder verstand, für Unterhaltung und Ablenkung zu sorgen. Ein reges und vielseitiges Vereinsleben, das Angebot von Filmen und Rundfunksendungen, Darbietungen verschiedener Theaterensembles, sportliche Betätigungen und vor allem die Pflege der traditionellen Oberkircher Fasent gaben dem Dasein eine angenehme Note.

Eine großartige Leistung vollbrachten die Bürger der Stadt im Jahre 1926, als sie trotz der beschwerlichen Zeitverhältnisse das 600jährige Jubiläum der Stadtrechtsverleihung an Oberkirch in großem Rahmen feierten.

Durch massive Propaganda in Veranstaltungen verschiedenster Art und in der Oberkircher Lokalpresse („Der Renchtäler“) gelang es der NSDAP seit den endenden zwanziger Jahren, in Oberkirch einige Anhänger zu gewinnen, die dann im August 1930 die Ortsgruppe Oberkirch der NSDAP gründeten. Ihnen gehörte nach der Machtübernahme Hitlers im Jahre 1933 die ganze Macht in der Gemeinde. Das politische und kulturelle Leben der Stadt wurde einförmig und spürbar ärmer. Der Bevölkerung blieb nichts anderes übrig, als sich dem Diktat der neuen Machtträger zu beugen, die es glänzend verstanden, Teile der Oberkircher Bevölkerung durch partielle Erfolge (u.a. mittels der Arbeitsbeschaffungsprogramme) für die Sache des Nationalsozialismus zu gewinnen.

Unter schwierigsten Bedingungen begann nach dem Zweiten Weltkrieg, der Oberkirch in noch größeres Leid als der Erste Weltkrieg geführt hatte, unter französischer Besatzung die Wiederaufbauarbeit in Oberkirch. Durch sie wurde das Bild der Stadt schließlich entscheidend in positivem Sinne verändert. Große Verdienste erwarben sich dabei der Oberkircher Gemeinderat und Bürgermeister Erwin Braun, der das Amt des Stadtoberhauptes von 1948 bis zu seinem Tode im Jahre 1981 inne hatte.

Um die Leistungen zu verdeutlichen, die in der Nachkriegszeit in Oberkirch erbracht wurden, seien abschließend einige Maßnahmen genannt, welche die Bürgerschaft und der Gemeinderat zum Wohl der Stadtgemeinde trafen:

1951 wird die Renchtäler Winzergenossenschaft Oberkirch gegründet, um bessere Absatz- und Vermarktungschancen für den Wein aus Oberkirch und Umgebung zu schaffen. Bereits zwei Jahre später, im Jahre 1953, nimmt die Stadt Oberkirch das neu erbaute Krankenhaus in der Gaisbacher Straße in Betrieb. Ein weiterer Eckpfeiler ist im Jahre 1963 die Gründung der Städt. Wohnungsbaugesellschaft, die heute 348 Mietwohnungen zur Verfügung stellt, und darüber hinaus 50 Eigentumswohnungen verwaltet.

Eine der modernsten und auf lange Jahre eine der richtungsweisenden Zentralkläranlagen des Raumes kann die Stadt Oberkirch bereits 1968 in Betrieb nehmen. Damit verbunden ist die Gründung des Abwasserverbandes Oberkirch und Umgebung. Schon 95 % der Oberkircher Haushalte sind durch die Kanalisation an die Kläranlage angeschlossen.

Im Rahmen der deutsch-französischen Freundschaft erfolgt die Verschwisterung von Oberkirch mit der Stadt Draveil in Frankreich.

Im Rahmen der Gemeindereform werden in den Jahren 1971 bis 1975 neun selbständige Gemeinden aus dem Umland in die Stadt Oberkirch eingegliedert. Für acht Ortschaften vereinbart man eine Ortsverfassung.

In der Zeit der Eingliederung, nämlich ins Jahr 1973, fällt die Eröffnung der neuen Stadthalle in Oberkirch (inzwischen Erwin-Braun-Halle).

Am 1.1.1975 wird die Stadt Oberkirch im Rahmen der vereinbarten Verwaltungsgemeinschaft mit der Stadt Renchen und der Gemeinde Lautenbach Untere Verwaltungsbehörde.

Auch in den folgenden Jahren, von 1975 bis 1982 investiert die Stadt Oberkirch gewaltig. So sollen hier nur der Neubau der Hans-Furler-Schulen, die Fertigstellung der Mehrzweckhalle in Oberkirch-Nußbach, der Ausbau des Reichenbächles, die erhebliche Stadtgartenerweiterung, die Errichtung einer Fernwasserversorgung, sowie der bedeutende Erweiterungsbau für die Realschule genannt werden. Der Beschluss des Gemeinderates zur formellen Festlegung eines Sanierungsgebietes im Stadtkern von Oberkirch im Jahre 1978 darf hier nicht fehlen. Mit beachtlichen Zuschüssen des Landes und der Stadt bereicherten private Bauträger bis heute den Stadtkern durch die Modernisierung erhaltenswerter Bausubstanz und Errichtung von schmucken Neubauten.

Heute stellt sich die Stadt Oberkirch als leistungsfähiges Kultur-, Schul- und Einkaufszentrum des Renchtales mit beachtlicher Wirtschaftskraft dar.

Die Oberkircher Gastronomie trägt, insbesondere nach den großen Investitionen der letzten Jahre, ihren Anteil zur Attraktivität der Stadt Oberkirch bei. Mit dem Tod von Bürgermeister Erwin Braun ging am 21. Oktober 1981 seine fast 33jährige Amtszeit als Bürgermeister der Stadt Oberkirch zu Ende. Zum neuen Bürgermeister der Stadt Oberkirch wurde der Jurist Willi Stächele gewählt, der am 30.November 1981 sein Amt antrat. Das übte er bis zur Ernennung als Staatssekretär mit Kabinettsrang im Jahre 1998 aus. Weitere Stationen seiner politischen Laufbahn waren dann Landwirtschaftsminister, Finanzminister und schließlich im Jahre 2011, nach dem Grün-Roten Machtwechsel in Stuttgart, Landtagspräsident.

Im Jahre 1999 wurde Dipl.-Ing. Matthias Braun zum Bürgermeister der Stadt Oberkirch gewählt. Seit dem 1.Januar 2004 ist Oberkirch Große Kreisstadt.

Am 4.12.2022 wurde der in Zelll a.H.geborene und bisherige Bürgermeister von Sasbach, Gregor Bühler, zum neuen Oberbürgermeister der Großen Kreisstadt gewählt. Er trat sein Amt am 1.März 2023, an.

 


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